Alltag

von den kleinen und grossen dingen

I
wir ordnen schneckenhäuser
ob das atoll
je auseinanderbricht
im meer versinkt

drei tage dauern deine jetlags
und die wände sind so dünn
dass die arbeiter im nebenzimmer klopfen
mein orgasmus ist lila sagst du

auf deiner arche haben ameisen keinen platz
und du zeichnest gestrichelte linien
an den symmetrieachsen
gleichseitiger dreiecke

II
alles ist langsamer geworden
du würdest das wort monoton verwenden

ich lasse kaffeetassen
mit dem letzten schluck
überall rumstehen
eingemummelt
schaust du einen film nach dem anderen
auf deiner bettseite

das haus am see
dass du dir immer gewünscht hast
ist in beton gegossen
selbst das essen
schmeckt nach heruntergeschraubter erwartung

III
jetzt sind unsere sätze genau so verknorzt
als wäre es absicht
dabei haben wir gelernt
brennendes fett
nicht mit wasser zu löschen

waschkörbe zerbersten
und ich stehe da
wie ein mickriger eisberg
baue türme so hoch
wie meine älteste tochter
mit hochgestreckten armen
erzähle von fischen
die sprechen können

am abend wir sitzen nebeneinander
und schweigen uns an
als hätten wir alle zeit der welt

du drehst die verbrannten popcorn
im salzfettfilm
und unsere haut berührt sich
denn wir sind wie kugelfische
die sich ab und zu aufbauschen

, , , , ,

serotonin – oder wie man den scheiss auch immer nennt

~ gewidmet ~

oli, ich kann die weite nicht mehr sehen
man
du verteilst lebensmittel an obdachlose
na ja nicht wirklich obdachlose
aber jene
die es brauchen
das ist wie
wale retten

oli, ich kann die weite nicht mehr sehen
ich sollte
reifenwechseln
das bad entschimmeln
einen kindergeburtstag feiern
am besten noch eine selbstgemachte torte
mit zuckerguss
und extragrossen pferden
einen baum pflanzen

oli, ich kann die weite nicht mehr sehen
die ränder meines blickfelds
flimmern
als wäre ein fernseher kaputt
als wäre ich kaputt
ich höre nur noch
chopin
in slow motion
aber eigentlich
sind das nur erkaufte minuten

oli, ich kann die weite nicht mehr sehen
meine wände rücken zusammen
wie eine schrottpresse
die luft aus meinen lungen drückt
und ich rede mir ein
alles was ich brauche
ist bloss ein bisschen glück
auf kredit

, , , , ,

Ich würd weinen, wenn ich könnt

du kommst nicht zurück

als würden hochhäuser einstürzen
sie sind einfach nicht mehr da

der letzte stoss vor einem orgasmus
als du mir sagtest
das ists gewesen
als wir im schneegestöber
in einer wolldecke versanken

du emotionsloses arschloch

ich sollte irgendetwas tun
nicken lächeln
so als ob

hörst du mir überhaupt zu

ich will nicht einzigartig sein
wie ein abgebrochener zahnstocher
setz mich auf den waldboden
und schmeiss alles hin

niemand hört mich

, , ,

sprachlos

zertrümmere regale
alles hat seinen platz
und dreh noch ein bisschen auf

wir ficken im kniehohen gras
in einem zu engen schlafsack

zerknülle worte

bring dich um oder pflanz was
sagt er

kotze über den tisch
sie stellen die gläser zur seite
und gehen
dann nochmals in den schnee
zum autofenster raus

sie wirken so
verdammt gelassen

falls das schon alles war
wars umsonst

auf mdma
rede ich von liebe
als wärs das natürlichste der welt
der regen prasselt
aufs dach

wir sitzen da
und hören zu

, , , ,

Konzentration

freund nummer 73
steht auf der chinesischen mauer
zwei kommentare, sein beweisfoto gefällt mir
eine autobombe tötet drei kinder
und eine frau
die betroffenheit ist allgemein
oder allgemeine betroffenheit
ich weiss es nicht mehr genau
mein studienkollege schreibt: aufgabe gelöst
wir vergleichen, passen an
lese einen Artikel übers paarungsverhalten von koalabären
weiter, lande bei kants ethik
noch vier unbeantwortete mails,
bleibe höflich
und ergänze meine todoliste
um 23:48

eigentlich wollte ich mich nur hinsetzen,
die abendstimmung auf mich wirken lassen
und ein paar zeilen schreiben.
fuck it!

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